Ein Herzensprojekt: Die Deutsche Schlaganfallbegleitung – im Interview

corinna-von-buedingen

Corinna von Büdingen, Dipl. Betriebswirtin, MBA

Marc Heßling

Marc Heßling: Wund- & Qualitätsmanager, Krankenpfleger,
Praxisanleiter

prof-dr-med-hans-joachim-von-buedingen

Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen


Marc Heßling:

Liebe Frau Corinna von Büdingen, Sie als Geschäftsführerin und Ihr Vater Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sind Experten für Schlaganfälle und führen die gemeinnützige Organisation “Deutsche Schlaganfallbegleitung”. Warum fühlen Sie sich berufen, über den Schlaganfall umfassend aufzuklären und sich stetig mit Experten auszutauschen und zu vernetzen?

“Sehen Sie Handlungsbedarf in der Aufklärungs- und Präventions- Arbeit in Deutschland?”


Fr. Von Büdingen:

Das hat mehrere Gründe. Ganz allgemein hat sich die Gesundheitskompetenz der Deutschen von Jahr zu Jahr verschlechtert. Lediglich etwa ein Viertel der Bevölkerung kann sich noch sicher in der Flut gesundheitsbezogener Informationen orientieren. Bezogen auf die Schlaganfall-Erkrankung sind die Konsequenzen dieser Unsicherheit gravierend: Menschen gehen seltener zur Vorsorge und sie verhalten sich weniger therapietreu. Wir sehen es daher, als unsere Aufgabe, umfassend und wissenschaftlich fundiert über alle Aspekte dieser chronischen Erkrankung aufzuklären und Betroffenen, also sowohl Angehörigen als auch Patienten, begleitend zur Seite zu stehen.
Dies führt mich zu einem weiteren wichtigen Punkt: in Deutschland gibt es bisher keine strukturierte Nachsorge nach Schlaganfall. Die Akutbehandlung – meist auf so genannten Stroke Units- hat sich erheblich verbessert. Heutzutage sterben sehr viel weniger Menschen an einem Schlaganfall, da die Behandlungsmethoden in der Akutversorgung, beispielsweise durch die Thrombolyse oder Thrombektomie, inzwischen fest etabliert sind. Allerdings bestehen nach der Akutversorgung keine standardisierten und fest etablierten Nachsorgestrukturen. Patientinnen und Patienten, teilweise mit gravierenden, körperlichen und psychischen Folgeerkrankungen, sind weitestgehend auf sich selbst gestellt. Hinzukommt, dass in vielen Fällen eine zumindest temporäre Pflegesituation eintritt. Hier gibt es von Seiten unseres Gesundheitswesens zu wenig Unterstützung.

Marc Heßling:

Das kann die Pflegeagentur 24 Ambulanter Pflegedienst bestätigen. Als Experten für die Pflege von Schlaganfallpatienten betreuen wir jährlich X Menschen, die durch einen Schlaganfall ihren zuvor selbstverständlichen Alltag verloren haben.
Sie arbeiten deutschlandweit mit Institutionen zusammen, darunter mit der Björn-Steiger-Stiftung.

“Können Sie voneinander Lernen und ihr Wissen der Gesellschaft zur Verfügung stellen?”


Fr. Von Büdingen:

Ja, insbesondere mit der Björn Steiger Stiftung arbeiten wir eng zusammen. Wir machen uns gemeinsam dafür stark, die Notfallbehandlung zu verbessern und Aufklärungsarbeit zu leisten, damit Schlaganfälle rechtzeitig erkannt werden. Das Motto lautet: Time is Brain, jede Minute zählt.

Mit welcher Technik lässt sich bei pflegebedürftigen Menschen ein Schlaganfall-Verdacht aufstellen?


Marc Heßling:

Wir kennen F-A-S-T. FAST steht für Face (Gesichtslähmung), Arms (Schwäche in den Armen), Speech (verwaschene Sprache) und Time (sofort den Notruf wählen). Aber wenn ein Patient hohen Alters so eingeschränkt ist, dass er sich nur schwer mitteilen kann oder schwerhörig ist,

“Wie können wir schnell feststellen, ob ein Schlaganfall vorliegt?”


Fr. Von Büdingen:

Auch bei älteren Menschen kann der FAST-Test angewendet werden. Inzwischen gibt es eine Erweiterung des FAST- Test, den so genannten BAFAST-Test: B für Balance (Gleichgewicht) und E für Eyes (Augen- Sehstörungen) kommen als weitere Erkennungsmerkmale mit hinzu. Wir erstellen gerade gemeinsam mit der Björn Steiger Stiftung ein Aufklärungsvideo zum BEFAST-Test.

Marc Heßling:

Sie bieten Pflegekräften und Angehörigen von Schlaganfall-Patienten Onlinekurse an: Einen “Schlaganfall-Fortbildungskurs für beruflich Pflegende” und einen „Online-Ratgeber für pflegende Angehörige“ nach $ 45 SGB XI.

“Welche Kompetenzen können in den Onlinekursen erworben werden und wer übernimmt die Kosten?”


Fr. Von Büdingen:

Bei dem Fortbildungskurs übernehmen die Träger die Kosten für ihre Mitarbeitenden, die dafür 8 RbP-Fortbildungspunkte erhalten. Bei dem Pflegekurs für Angehörige erstatten in der Regel die Pflegekassen die Kosten.Inhaltlich geht es im beiden Kursen darum, ein Basiswissen über den Schlaganfall zu vermitteln: Wie ist es dazu gekommen, was kann man tun, um einen weiteren Schlaganfall zu verhindern, welche therapeutischen und medikamentösen Behandlungen greifen in der Nachsorge, wie äußern sich die physischen und psychischen Folgeerkrankungen und wie geht man idealerweise damit um? Das sind nur einige der Fragen, die wir in den Kursen beantworten.

Was folgt nach dem Schlafanfall?


Marc Heßling:

Nach einem Schlagfall dauert es, bis die Genesung erfolgt. Betroffene sind zunächst abhängig von Ihrem Umfeld und beanspruchen Pflegedienste wie auch unseren. Patienten und Angehörige stehen oft neben sich und fühlen sich überfordert – können nicht so recht verarbeiten, was passiert ist und fragen sich, ob sie schlimmeres verhindern konnten.

“Welche Nachricht möchten Sie betroffenen Familien mitgeben?”


Fr. Von Büdingen:

Ja, ein Schlaganfall ist ein Schicksalsschlag und bedeutet für die ganze Familie eine große Herausforderung. Sie ist umso besser zu bewältigen, je mehr Unterstützung man von außen erhält und je mehr man optimistisch und zuversichtlich man in die Zukunft blickt. Auch wenn er sich um eine chronische Erkrankung handelt, können Patienten und Patientinnen Fortschritte erzielen. Das Allerwichtigste ist, sich therapietreu – also adhärent – zu verhalten. Im Alltag bedeutet dies, dass sich Patienten an die Vereinbarungen halten, die sie gemeinsam mit Therapeuten und Ärzten in der Nachsorge vereinbart haben. Dies gilt insbesondere bei der medikamentösen Therapietreue. In den allermeisten Fällen sind die Ursachen für den Schlaganfall bekannt, beispielsweise ein seit Jahren unbemerkter viel zu hoher Blutdruck. Es wäre fatal, wenn Patienten aus Angst vor der Einnahme nach einem Schlaganfall keine blutdrucksenkenden Medikamente zu sich nehmen würden. Diesen Herbst, also im September 2025, werden wir im Trias Verlag einen Ratgeber für Angehörige veröffentlichen. In diesem Ratgeber werden wir auf alle wichtigen Themen ganz ausführlich eingehen und Hoffnung machen.

Marc Heßling:

Vielen Dank! Ich möchte auch gern eine Frage an Ihren Vater stellen: Herr Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen, welche Erkenntnis hat Ihre Sicht auf den Schlaganfall grundlegend verändert?

“Und welche Chancen sehen Sie für Schlaganfall-Patienten?


Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen:

Der Gamechanger war tatsächlich die Tatsache, dass ich Schlaganfälle in circa 80 % vermeiden ließen, wenn keine Risikofaktoren entstehen oder diese rechtzeitig behandelt werden. Es ist im Grunde ganz einfach: Übergewicht, zu viel Alkohol, Rauchen und wenig bis keine Bewegung führen zur Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck. Diese wiederum verursachen eine Arteriosklerose, die einen Schlaganfall auslösen kann. Daher sind aus meiner Sicht Prävention und Aufklärung das Allerwichtigste.

Zurück zum Pflegeratgeber.