Bei Eintritt einer Pflegebedürftigkeit liegt die Beantragung eines Pflegegrades nahe. Die Feststellung eines bestimmten Pflegegrades ist Voraussetzung vieler – aber nicht aller – Leistungen, die im Pflegefall gewährleistet werden, und ist insbesondere entscheidend für die Höhe des monatlichen Pflegegeldes. Doch wie geht man beim Pflegegrad beantragen vor, an wen hat man sich zu wenden und wie ist der genaue Verfahrensablauf?
Leistungen der Pflegeversicherung kommen zunächst einmal nicht von selbst: Pflegebedürftige oder deren bevollmächtige Angehörige oder Betreuer müssen sie bei der zuständigen Pflegekasse (oder privaten Pflegeversicherung) beantragen. Ein medizinischer Gutachter vom Medizinischen Dienst (MD) kommt dann ins Haus und prüft, wie viel Unterstützung jemand bei alltäglichen Verrichtungen benötigt, etwa beim Aufstehen, bei der Körperpflege oder beim Essen. Das Medizinischer Dienst-Gutachten dient der Pflegekasse als Entscheidungsgrundlage bezüglich des Vorliegens einer Pflegebedürftigkeit und des genauen Pflegegrades.
Welche Pflegegrade gibt es | Pflegegrad 1 – 5
Die fünf Pflegegrade legen fest, wie stark eine Person in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt ist und dementsprechend wie hoch die Pflegebedürftigkeit ist. Je nach festgestelltem Grad unterscheiden sich die Leistungen aus der Pflegeversicherung, die einer pflegebedürftigen Person zustehen.
Um einen Pflegegrad festzulegen, muss der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt werden, woraufhin ein Gutachten durch einen Gutachter des Medizinischen Dienstes durchgeführt wird. In diesem können insgesamt 100 Punkte für die eingeschränkte Selbstständigkeit vergeben werden. Diese setzt sich aus sechs unterschiedlichen Bereichen zusammen, die den Zustand der Person ganzheitlich betrachten. Je höher die Gesamtpunktzahl der Pflegebegutachtung, desto höher der Pflegegrad.
Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung
Pflegegrad 1 erhalten Personen, bei denen im Gutachten Punkte zwischen 12,5 und unter 27 Punkten für die Einschränkung der Selbstständigkeit vergeben worden sind. Mit dem niedrigsten Grad erhalten Sie Anspruch auf bestimmte Pflegeleistungen, allerdings bekommen Sie noch kein Pflegegeld von der Pflegekasse. Dennoch kann monatlich ein Entlastungsbetrag von 125 € beansprucht werden. Dieser kann für eine z.B für eine Haushaltshilfe verwendet werden.
Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung
Pflegegrad 2 wird ausgesprochen, wenn im Pflegegutachten eine Punktzahl von 27 bis unter 47,5 Punkte ermittelt wurden. Hier erhalten Sie einen monatlichen Beitrag an Pflegegeld von 332 €. Ihnen stehen alle Pflegeleistungen zur Verfügung, allerdings nicht immer im vollen Umfang. Der Beitrag für Pflegesachleistungen und Tages- und Nachtpflege, sowie stationäre Pflege sind beispielsweise auf einen monatlichen Beitrag festgelegt, welcher sich mit steigendem Pflegegrad erhöht.
Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung
Sind im Pflegegutachten 47,5 bis unter 70 Punkten ermittelt worden, erhält ein pflegebedürftiger Mensch den Pflegegrad 3. Hier steigt der monatliche Betrag an Pflegegeld auf 573 € und auch die Beiträge für weitere Pflegeleistungen steigen.
Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung
Mit 70 bis unter 90 Punkten im Gutachten erhalten Sie Pflegegrad 4. Auch hier steigen die Beiträge der Pflegeleistungen. Sie erhalten einen monatlichen Betrag an Pflegegeld von 765 € aus der Pflegekasse.
Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung
Pflegegrad 5 ist der höchste Pflegegrad und wird dann ausgesprochen, wenn im Pflegegutachten eine Punktzahl von mindestens 90 Punkten festgestellt wurde. In diesem Fall wird der höchste Pflegebedarf ausgesprochen, da die Person auf ständige, intensive Pflege und Unterstützung im Alltag angewiesen ist. Antragsteller erhalten bei Pflegegrad 5 den Höchstsatz aller Pflegeleistungen, darunter 947 € Pflegegeld.
Woraus setzt sich der Pflegegrad zusammen | Pflegebedürftigkeit ermitteln
Um die Feststellung der Pflegebedürftigkeit reguliert durchführen zu können, läuft das Pflegegutachten nach strikten Vorgaben ab. Hierzu werden sechs unterschiedliche Bereiche begutachten, in denen bestimmte Kriterien erfüllt werden müssen, damit Punkte vergeben werden können.
- Mobilität: Wie gut kann sich die versicherte Person selbstständig bewegen?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann die Person selbstständig Entscheidungen treffen, Gespräche führen und Probleme kommunizieren? Wie kann sie sich räumlich und zeitlich orientieren?
- Psychische Gesundheit / Verhaltensweisen: Tritt bei der Person aggressives, ängstliches oder depressives Verhalten auf? Benötigt sie dabei Hilfe?
- Selbstversorgung: Können alltägliche Aufgaben, wie das Waschen und Anziehen, selbstständig durchgeführt werden?
- Krankheits- oder therapiebedingte Anforderungen: Kann die Person selbstständig mit krankheits- oder therapiebedingten Aufgaben oder Behandlungen umgehen, etwa das Dosieren und Einnehmen von Medikamenten oder das Verbinden von Wunden?
- Alltag und soziale Kontakte: Kann der Alltag selbstständig geplant und durchgeführt werden? Werden dabei soziale Kontakte gepflegt?
Die Module fließen unterschiedlich stark in die Einstufung in einen Pflegegrad ein. Mit 40 % fließt die Selbstversorgung am stärksten in die Beurteilung ein. Darauf folgt der Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen mit 20 %. Die Gestaltung des Alltags und der sozialen Kontakte fließt mit 15 % in die Beurteilung ein und die Mobilität gewichtet 10 %. Modul 2 und 3 fließen jeweils mit 7,5 % ein.
Widerspruch einlegen | Wenn der Pflegegrad abgelehnt wird
Wenn Sie einen Pflegegrad beantragen und dieser abgelehnt wird, eine Rückstufung erteilt wird oder der Grad zu niedrig ermittelt wurde, können Sie Widerspruch einlegen. Können Sie schlüssig begründen, in welchen Punkten das Gutachten falsch eingeschätzt worden ist, kann ein Widerspruch nützlich sein. Allerdings sollte dabei darauf geachtet werden, dass sich dieser Punkteunterschied auch auf die Einstufung des Pflegegrades auswirkt.
Mit einem Widerspruch können Sie ein Wiederholungsgutachten einreichen, bei dem genauer auf die strittigen Punkte geachtet wird.
Pflegegrad Antragsformulare kostenlos bei den Pflegekassen | Pflegegrad beantragen
Antragsformulare zum Pflegegrad beantragen gibt es bei den jeweiligen Krankenkassen, die diese auf Wunsch auch zusenden. Einige Kassen händigen zudem ein Pflegetagebuch aus, mit dem im Vorfeld der Begutachtung schon die jeweils tatsächlich aufzuwendenden Zeiten gewissenhaft erfasst werden können. Dem Gutachter dient das Pflegetagebuch später als Hilfestellung.
Sind die ausgefüllten Antragsformulare bei der Kranken- und Pflegekasse eingegangen, kann die Bearbeitung bis zu sechs Wochen dauern. Der Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MD) meldet sich schriftlich zu einem Besuch an. Sollte der Termin aus wichtigen Gründen nicht wahrgenommen werden können, lässt sich telefonisch ein neuer Besuchstermin vereinbaren.
Sind Pflegebedürftigkeit und Pflegegrad schließlich festgestellt, entscheidet der Pflegebedürftige selbst darüber, ob er lieber Pflegegeld erhält oder eine „Sachleistung“ in Anspruch nimmt (ambulanter Pflegedienst). Beides lässt sich auch kombinieren.
Künftig soll die telefonische Begutachtung stärker zum Tragen kommen, etwa bei Höherstufungen des Pflegegrades – vorausgesetzt, dass der Pflegebedürftige damit einverstanden ist.
Gut zu wissen: Schon vor Beginn der Pflege bieten die Pflegekassen eine umfassende und kostenlose Beratung zu Ansprüchen und Leistungen an, die Betroffene unbedingt nutzen sollen.
Unser Tipp: Da die Kasse rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zahlt, empfiehlt sich unter Umständen zunächst ein formloser schriftlicher Antrag – denn beim Pflegegrad beantragen zählt jeder Tag!
Haben Sie noch weitere Fragen zum Thema „Pflegegrad beantragen“? Sprechen Sie uns an. Wir sind für Sie da.